Wetterarchiv Behrendorf

Hinweis: ab 1. Januar 2023 erfolgt die Aktualisierung der WsWin-Wetterdaten aus Behrendorf nur noch am 1., am 11. und 21. eines Monats. Aktuelle Daten gibt es unter https://wischewetter.info.

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Aktuelle Warnlage

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Wissenschaft kompakt

Gewitterprognose im Warndienst des DWD


Die Prognose von und die Warnungen vor Gewittern ist im 
Sommerhalbjahr sicherlich eine der Hauptdisziplinen im Warndienst des
DWD. Einen Einblick in die Vorgehensweise bei der Einschätzung des 
Gewitterpotenzials erhalten Sie im heutigen Thema des Tages.


Wir schreiben Mitte April und die ersten kräftigen Gewitterzellen - 
deutschlandweit betrachtet - liegen bereits hinter uns. Als Beispiel 
sei die "Kasselzelle" am vergangenen Mittwoch genannt, die an der 
Station Schauenburg-Elgershausen knapp westlich von Kassel stolze 31 
mm innerhalb einer Stunde abwarf. Dass es in den nächsten Wochen und 
Monaten noch weitere "Kracher" von diesem Format geben wird, die dann
unter Umständen auch noch größeren Hagel und heftige Böen an Bord 
haben, ist so gut wie sicher. 

Die Problematik bei der Vorhersage von Gewittern wurde auch an dieser
Stelle schon mehrfach beschrieben (siehe zum Beispiel das Thema des 
Tages vom 12.08.2023) und wird sicherlich auch in Zukunft immer 
wieder Thema sein. Kurz zusammengefasst: Eine räumlich und zeitlich 
exakte Vorhersage eines Gewitters ist aus verschiedenen Gründen so 
gut wie unmöglich. Was dagegen meistens gut prognostizierbar ist, 
sind einerseits die Regionen, in denen das Potenzial für die 
Entstehung von Gewittern erhöht ist und andererseits die zu 
erwartenden Begleiterscheinungen. 

Für die Abschätzung des Gewitterpotenzials steht dem Vorhersageteam 
des DWD unter anderem der sogenannte "Konvektionsfavorit" zur 
Verfügung. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung mehrerer 
Prognosefelder, die die nötigen Zutaten für die Entwicklung von 
Gewittern beschreiben. Was für den Laien vielleicht nur nach vielen 
bunten Bildchen oder eventuell auch moderner Kunst aussieht, liefert 
den Meteorologen wichtige Informationen hinsichtlich der potentiellen
Entstehung und Stärke der Gewitter. Aus diesem Grund hat der 
Konvektionsfavorit auch einen Stammplatz auf einem der zahlreichen 
Bildschirme am Arbeitsplatz.

Bevor wir kurz etwas genauer auf die einzelnen "Bildchen" eingehen, 
nochmal ganz kurz zu den Zutaten für ein Gewitter: Neben genügend 
Feuchtigkeit muss die Luftmasse auch eine labile Schichtung 
aufweisen, d.h. die Temperatur muss mit der Höhe stark abnehmen. Nun 
muss die energiegeladene Luftmasse noch gezündet werden, sprich man 
benötigt einen Mechanismus, der die Luft dazu veranlasst, 
aufzusteigen. Das kann zum Beispiel ein zu überströmendes Gebirge 
sein, bodennahe Überhitzung (Wärmegewitter), ein bodennah 
konvergentes Windfeld oder ein dynamischer Impuls aus höheren 
Luftschichten.

In der obigen Abbildung 2 ist auf der linken Seite einerseits ein Maß
für die Feuchtigkeit der Luft in unteren Schichten zu sehen 
(Flächendarstellung) und andererseits die sogenannten PPW-Werte, also
der Wassergehalt der gesamten Luftsäule, der als Niederschlag 
ausfallen kann (in l/qm, Zahlenwerte). Letzterer liefert einen 
Hinweis auf das Starkregenpotenzial. Rechts daneben geht es um die 
sogenannten Lapse Rates, also die Temperaturabnahme mit der Höhe, die
besonders zwischen zwei und vier Kilometer Höhe ausgeprägt sein 
sollte. Rote Farben stehen für eine Abnahme von mindestens 0,6 Kelvin
pro 100 m Höhe (instabil) und blaue Farben für eine geringere Abnahme
und daher stabilere Verhältnisse. Die Kombination aus Feuchtigkeit 
und (In-)Stabilität mündet schließlich in der potentiell zur 
Verfügung stehenden Energie für die Gewitterentwicklung, dem 
sogenannten CAPE (rechts). Die Zahlenwerte geben das sogenannte CIN 
an, das konvektionshemmende Faktoren innerhalb der Luftschichtung 
angibt.

In Abbildung 3 steht die Windscherung im Fokus. Diese stellt - um im 
Küchensprech zu bleiben - das Gewürz dar und ist wichtig für die 
weitere Entwicklung eines Gewitters. Dabei unterscheidet man zwischen
der Geschwindigkeits- und der Richtungsscherung. Die 
Geschwindigkeitsscherung (links) kann man wiederum in hochreichende 
Scherung (0-6 km Höhe, Fläche) und in die Scherung im untersten 
Kilometer (Low Level Scherung, Zahlen) aufsplitten. Während erstere 
für den Organisationsgrad und damit die Langlebigkeit und auch 
Schwere der Gewitter verantwortlich ist, liefert die Low Level 
Scherung Hinweise für ein mögliches Tornadopotenzial. Für letzteres 
sind auch die Felder rechts wichtig, die die Richtungsscherung, also 
die Drehung des Windes mit der Höhe, und die Höhe der 
Wolkenuntergrenze zeigt. Ist die Richtungsscherung hoch genug, können
sich rotierende Gewitter, sogenannte Superzellen entwickeln, an denen
sich bei niedriger Wolkenunterkante ein Tornado entwickeln könnte. 

Die restlichen Bildchen (Abbildung 4) liefern Informationen zu 
potentiellen Hebungsmechanismen, die zum Beispiel aus den 
Strömungsverhältnissen in verschiedenen Höhenbereichen resultieren 
(links ca. 5,5 km, rechts davon ca. 9 km, Mitte bodennah). Das zweite
Bild von rechts zeigt die Windstärke und -richtung in verschiedenen 
Höhenniveaus, woraus man konvergente Windstrukturen herausarbeiten 
kann und einen Überblick über eine mögliche Winddrehung mit der Höhe 
bekommt. Rechts ist dann noch die sogenannte Auslösetemperatur zu 
finden. Wird diese Temperatur erreicht, beginnt die Luft von selbst, 
aufzusteigen. Dazu gesellt sich eine Niederschlagsprognose, die neben
der Menge (Fläche) auch die Art des Niederschlags (Symbole) angibt.

Durch diese Fülle an Informationen bekommt man also schon mal einen 
ersten Eindruck darüber, in welchen Regionen das Gewitterpotenzial 
erhöht ist, welche Begleiterscheinungen erwartet werden können und wo
wahrscheinlich keine Gewitter auftreten werden. Doch für eine finale 
Aussage braucht es noch etwas mehr. Wichtig ist zum Beispiel noch die
Sichtung von sogenannten Prognoseaufstiegen, die die vertikale 
Temperatur- und Feuchteverteilung zeigen. Und dann gibt es natürlich 
noch weitere Vorhersagemodelle, die manchmal eine völlig andere Idee 
hinsichtlich der Gewitterlage haben als das, das dem 
Konvektionsfavoriten zugrunde liegt (ICON). 

Vielleicht haben Sie gesehen, dass sich die betrachteten Felder auf 
den Ostersonntag beziehen (17 Uhr MESZ). Wie sieht's denn also aus in
Sachen Gewitter? Aktuell ist das Gewitterpotenzial für den 
Sonntagnachmittag von der Mitte bis zu den Alpen etwas erhöht. 
Während dabei im Westen eher der Starkregen als Begleiterscheinung im
Fokus steht (geringe Verlagerungsgeschwindigkeit, erhöhte PPW-Werte),
sollte man im Süden/Südosten den Wind im Blick haben aufgrund 
erhöhter Scherungswerte und relativ trockener Grundschicht (hohe 
Wolkenuntergrenze).   

Mit Blick auf andere Modelle gibt es im Detail aber durchaus noch 
gewisse Unsicherheiten. Nur eines ist ziemlich sicher: Langweilig 
wird es bei der Gewittervorhersage nicht!

Dipl.-Met. Tobias Reinartz 

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 18.04.2025

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